Manthey-Porsche erlebte beim sechsstündigen WEC-Rennen in Spa-Francorchamps ein wahres Wechselbad der Gefühle. Einem schweren Unfall im Qualifying folgte ein Doppelsieg in der LMGT3-Klasse nach einem packenden Schluss-Finish. Der #91 Porsche 911 GT3 R (Shahin, Schuring, Lietz) überquerte die Ziellinie nach einem Überholmanöver in der letzten Runde mit 1,2 Sekunden Vorsprung vor dem #92 Schwester-Neunelfer (Malykhin, Sturm, Bachler).

"Alle unsere Teammitglieder haben Heldenleistungen vollbracht, und das macht mich sehr stolz", freute sich Manthey-Geschäftsführer Nicolas Raeder im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com in seiner üblichen, eher zurückhaltenden Art. "Selbst Olaf (Manthey) war sprachlos. Das bedeutet, dass er wirklich stolz ist."

Heftiger Manthey-Porsche-Unfall bei WEC in Spa (01:56 Min.)

Manthey-Doppelsieg bei WEC-Rennen in Spa

Es war ein Zittern bis in die Schlussminuten hinein auf unterschiedlichen Ebenen am Manthey-Kommandostand. Zunächst deutete einiges auf einen Klassensieg des #60 Iron-Lynx-Lamborghini (Schiavoni, Cressoni, Perera) hin, bis Schlussfahrer Franck Perera in der letzten Runde die Boxengasse für einen Tankstopp ansteuern musste und am Ende den dritten Platz hinter dem Porsche-Duo belegte.

Ebenso galt es, die Bedingungen in dem um 1:44 Stunden verlängerten Rennen korrekt zu berechnen. Vor allem, weil die beiden Manthey-Porsche auf unterschiedlichen Strategien unterwegs waren. So setzte die #92 von Beginn an auf eine Sprit-sparende Taktik, die es Alex Malykhin, Joel Sturm und Porsche-Werksfahrer Klaus Bachler ermöglichte, mit sechs statt der üblichen sieben Boxenstopps das Rennen zu beenden.

"Mit der #92 haben wir von Anfang an Sprit gespart", bestätigte Patrick Arkenau, Geschäftsbereichsleiter Racing der Manthey Racing GmbH, gegenüber MSM. "Nach den ersten Stopps der Konkurrenz war uns relativ schnell klar, dass nur ein anderes Auto die gleiche Strategie fuhr, und das war die #60 (Iron-Lynx-Lamborghini)."

Manthey erklärt Führungswechsel in letzter Runde

Spannend wurde es in der letzten Runde (Runde 130), als der #91-Porsche mit Schlussfahrer Richard Lietz - der schnellste GT3-Fahrer im Rennen - an Bachler im Schwesterauto vorbeizog und den ersten WEC-Sieg des Trios einheimste. Arkenau erklärte die Situation: "Wir haben nicht die Positionen getauscht. Weil Klaus (Bachler) viel Sprit sparen musste und Richard (Lietz) wegen der Offset-Strategie gar nicht, hatten sie eine unterschiedliche Pace. Es wäre nicht richtig gewesen, die #91 künstlich dahinter zu halten."

Zwar gebe es Spielregeln zwischen den beiden Manthey-Porsche, doch ein Überholverbot wäre laut Arkenau angesichts des Pace-Unterschiedes von rund drei Sekunden schon fast einer Wettbewerbsverzerrung gleichgekommen. Raeder sah es ebenso: "Andersherum wäre es Stallorder gewesen. Wir hätten sagen müssen, dass der Eine (#91) nicht überholen darf. Und wenn der Andere (#92) Gas gegeben hätte, wäre ihm der Sprit ausgegangen."

Bachler aus der #92-Crew konnte mit dem zweiten Platz gut leben, mit dessen Punkten das Trio seinen Vorsprung in der Weltmeisterschaft noch weiter ausbauen konnte und als klarer Spitzenreiter zu den 24 Stunden von Le Mans (15.-16. Juni 2024) reist: "Wir haben den Sieg nicht verloren. Wir haben es riskiert, mit einem Stopp weniger zu fahren. Ich musste am Ende sehr viel Sprit sparen. Es ging sich ganz knapp aus, sonst wären wir Vierter oder Fünfter geworden. Durch die Strategie haben wir den zweiten Platz gewonnen."

Vom schweren Unfall zum Doppelsieg in Spa

Dass Manthey überhaupt mit seinen beiden Porsche 911 das Rennen bestreiten würde, war nach dem schweren Qualifying-Crash von Bronze-Fahrer Alexander Malykhin zunächst unklar. Ein Ersatzteilträger wurde hurtig aus dem 120 Kilometer entfernten Meuspath nach Spa beordert, um den zerstörten Neunelfer über Nacht wieder aufzubauen. Um sieben Uhr morgens am Renn-Samstag war das Auto zusammengeschraubt und bereit, ein neuerliches Scrutineering (Technische Abnahme) zu durchlaufen. Arkenau: "Das Auto stand genauso da, wie wir es uns vorgestellt hatten."

Crash-Pilot Malykhin kam mit ein paar kleineren Blessuren davon und erhielt nach einem Besuch im Medical Center die Freigabe der Ärzte, am Rennen teilnehmen zu können. Den Unfall vom Vortag konnte der gebürtige Belarusse gut abschütteln. "Das war eine Grenzleistung von Alex", sagte Raeder. "Das muss man im Kopf erst einmal so hinbekommen, er ist schließlich ein Bronze-Fahrer."

Mit dem Doppelsieg und der Meisterschaftsführung im Gepäck geht es für Manthey und Co. in knapp vier Wochen zum Prestige-Rennen nach Le Mans. Es wäre mal wieder an der Zeit für einen Porsche-Klassensieg, fand Raeder: "Wir hoffen, dass alles passt und wir mitfahren können. Mit unseren Fahrern müssen wir uns nicht verstecken und das Auto ist robust. Wenn wir keinen Mist bauen, müsste eigentlich was gehen."